„Schreit so laut ihr könnt!“

Soziale Initiative „Sicher Stark Team“ schult Vorschulkinder in der Wald- und Wiesen-Kita St. Peter Körrenzig e.V. in Linnich, um Gewalt und sexuellem Missbrauch zu begegnen – „Schreit so laut ihr könnt!“

Der Vergewaltiger einer Neunjährigen aus Osnabrück hat gestern gestanden. Er zerrte das Mädchen ins Auto, um es später zu missbrauchen. Wie Kinder sich selbst gegen solche Angriffe schützen können, darüber klärt ein Team aus Pädagogen, Psychologen, Kindertherapeuten und ehemaligen Polizisten auf. „Schreit so laut ihr könnt!“

Linnich „Jetzt schreit ihr, so laut wie ihr könnt!“ Die scheinbar einfache Aufforderung an die Mädchen und Jungen der Kita St. Peter Körrenzig e.V. in Linnich scheitert. Denn laut zu brüllen, das sind Kinder heutzutage offenbar nicht mehr gewöhnt.

Der ehemalige Polizeitrainer Ralf Schmitz weiß längst, dass man das Lautsein erst lernen muss. Also wird trainiert im Bewegungsraum und auf dem Spielplatz der Kita. Man schreit heute nicht mehr „Hilfe“ sondern „Feuer“, denn da werden viel mehr Anwohner auf die Gefahr aufmerksam und können einem Kind helfen, so die Puppe Felix, die mit Begeisterung bei den Kindern ankam und viele wichtige Sicherheitstipps den anwesenden Kindern vermittelte.

Kinder stark machen mit dem Sicher-Stark-Team

Kinder stark machen mit dem Sicher-Stark-Team

„Schreit so laut ihr könnt!“

Beim dem Feuer-Spiel durften die Kinder auf dem Sportplatz rennen und laut brüllen. Einer nach dem anderen der Fünf- bis Sechsjährigen kommt bei diesem Spiel an die Reihe. Und so manches Kind schaut verdutzt, wenn es merkt, welche Lautstärke in ihm steckt.

Schreien ist nur eine Übung, die die Kinder an diesem Vormittag üben. Denn dem „Sicher-Stark-Team“ geht es nicht nur ums Lautsein. „Wir wollen den Kindern zeigen, wie sie sich gegen Gewalt wehren können“, erklärt Dr. phil Bettina Küpper-Latusek.

Die Kinder machen begeistert mit und das über 4 Stunden.

In Rollenspielen wird beispielsweise geübt, wie man sich gegen das Festhalten am Arm am Auto wehrt. Zunächst kommt eine höfliche Aufforderung. „Lass Sie mich bitte los!“, verlangt die zierliche Julia (Name von der Redaktion geändert). Ihr „Täter“, der etwas größere Autofahrer Helmut, reagiert nicht. Nun wird Julia bestimmter. „Lass los“, sagt sie deutlich lauter. Automatisch schauen alle Unbeteiligten auf das Mädchen.

Beim dritten Mal beißt sie einfach den Angreifer in die Hand und reißt energisch ihren Arm los. Die verblüffte Lisa (Name von der Redaktion geändert) steht nur da. „3 bis 20 Sekunden steht der Angreifer unter Schock, wenn eine Reaktion kommt, mit der er absolut nicht rechnet“, weiß der Polizeitrainer Ralf Schmitz zu berichten.

Dies sei eine Chance, zu entkommen und wegzurennen, aber noch besser ist es, sich gar nicht in so eine Situation zu begeben und einfach nach der ersten Frage des Autofahrers wegzugehen und ihn stehenzulassen. Kinder dürfen in solchen Situationen auch mal unhöflich sein.

Die Resonanz auf diese Präventionskurse in Deutschland ist riesig, denn jeden Tag erfahren Kinder Gewalt, werden missbraucht oder gemobbt.  „Ein von Gewalt oder Missbrauch betroffenes Kind muss im Durchschnitt sieben Personen ansprechen, bevor ihm geholfen wird“, bilanziert der Kinderschutzbund.

Kinder stark machen mit dem Sicher-Stark-Team

Kinder stark machen mit dem Sicher-Stark-Team

Die Sicher-Stark-Präventionskurse wurden nur für die Vorschule und Primarstufen in Deutschland entwickelt und werden seit vielen Jahren deutschlandweit umgesetzt. Sie sollen dem Nachwuchs Mut und Stärke geben. Interessierte Fördervereine, Kitas und Grundschulen können sich für neue Lehrgänge bei der Bundesgeschäftsstelle melden. Wie wichtig das Durchspielen bestimmter Situationen ist, beweist Ralf Schmitz auch in Linnich.

Kinder stark machen mit dem Sicher-Stark-Team

Kinder stark machen mit dem Sicher-Stark-Team

Nur wenige Minuten nach Kursbeginn verwickelt er zwei Kinder in ein freundliches Gespräch auf dem Sportplatz. Minuten später ist eines von ihnen bereit, mit dem fremden Mann das Kitagelände zu verlassen. Im Wohngebiet bricht Schmitz das Experiment ab.

Die Eltern erfahren erst am Kursende von dem Vorfall. Und die meisten sind fassungslos. Doch Ralf Schmitz sieht es etwas anders: „Wir haben mit allen Kindern darüber gesprochen und sie haben verstanden, wie sie sich richtig verhalten müssen.“

Stichwort

Das Sicher-Stark-Team

Vor mehr als einem Vierteljahrhundert schlossen sich Pädagogen, Psychologen, Doktoren, Kindertherapeuten und ehemalige Polizeibeamte zusammen. Ihre Vision: Grundschulkinder erfolgreich vor Gewaltverbrechen und sexuellem Missbrauch zu schützen, indem sie die Jüngsten speziell schulen und ihnen das Verhalten der Täter zeigen. Über 500.000 Kinder nahmen laut der sozialen Initiative schon an den spendenfinanzierten Kursen teil.

TIPPS FÜR ELTERN

Nicht mit Fremden gehen, ist überholt. Das Sicher-Stark-Team, eine soziale Initiative, schult nicht nur Grundschulkinder. Auch Eltern erfahren, wie sie ihren Nachwuchs besser vor Verbrechen schützen können. Einige Tipps:

  • Nein sagen
    Eltern sollten mit ihren Kindern trainieren, Nein zu sagen. Denn jedes zweite Sexualverbrechen wird an einem Kind begangen. Häufig passieren sexuelle Übergriffe im unmittelbaren Umfeld der Familien.
  • Mitfahr-Kennwort
    Ein so genanntes Mitfahr-Kennwort verhindert, dass Kinder ins „falsche“ Auto einsteigen. Nur Personen, die dieses Wort kennen, dürfen die Kinder mitnehmen. Wichtig ist, die Abfrage des Mitfahr-Kennwortes mit dem Kind zu trainieren, damit die Täter die Opfer nicht geschickt danach ausfragen.
  • Angst vor Fremden
    Der alte Spruch „Geh nicht mit Fremden!“ ist eigentlich überholt. Denn oft animieren pädophile Straftäter ihre Opfer nicht sofort, ins Auto zu steigen. Erst findet ein freundliches Gespräch statt (Frage nach dem Weg). Währenddessen erzählen die Kinder, wo sie zum Fußballtraining hingehen und wann sie aus der Schule kommen. Am nächsten Tag kommen die Täter wieder, bringen einen Fußball mit, und irgendwann ist der Fremde aus Sicht des Kindes kein Fremder mehr.
  • Fremde Frauen
    Zwar missbrauchen, statistisch gesehen, meist Männer Kinder, doch auch unbekannte Frauen sind eine Gefahr, wenn sie die Kinder auffordern, mitzugehen. Denn manche Täter arbeiten mit Komplizinnen. Daher auch solche Situationen besprechen.

 

 

Neue EU-Strategie für den Schutz von Kindern im Internet

Neue EU-Strategie für den Schutz von Kindern im Internet

Am 11. Mai 2022 nahm die Europäische Kommission eine neue EU-Strategie zum Schutz und zur Stärkung von Kindern in der Online-Welt an. Sie soll dazu beitragen, dass digitale Dienste barrierefrei, altersgerecht, informativ und sicher angeboten werden. Auch dient sie dazu, Kinder für eine sichere Internetnutzung zu befähigen und somit besser zu schützen.

Die EU-Kommission stellte sie zusammen mit dem Vorschlag für neue EU-Rechtsvorschriften zum Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch vor.

Warum beschließt die Kommission eine neue Strategie?

Die neue Strategie ist als Erweiterung der umfassenden EU-Kinderrechtsstrategie um digitale Aspekte zu verstehen. Die digitale Nutzung von Geräten hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Kinder sind mittlerweile viel besser mit der digitalen Technik vertraut, nutzen häufiger das Internet und sind auch im Social-Media-Umfeld aktiv. Die zuletzt im Jahre 2012 ausgearbeitete Strategie für ein besseres Internet für Kinder war somit nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Sie musste an die heutigen Rahmenbedingungen angepasst und erweitert werden.

Neue EU-Strategie für einen besseren Schutz von Kindern im Internet

Neue EU-Strategie für einen besseren Schutz von Kindern im Internet

Grundsätze und Maßnahmen der Strategie zum Schutz von Kindern im Internet

Die neue Strategie für ein besseres Internet für Kinder stützt sich auf drei Säulen und enthält konkrete Maßnahmen für die Umsetzung:

  • Einführung eines EU-Verhaltenskodex für sichere digitale Erfahrungen im digitalen Umfeld und Ausarbeitung einer EU-Norm für die Online-Altersüberprüfung
  • Organisation von Medienkampagnen in Safer-Internet-Zentren für Kinder, Lehrkräfte und Eltern zur Stärkung von digitalen Kompetenzen im Internet, Bereitstellen von Lernmodulen für Lehrkräfte über das Portal betterinternetforkids.eu
  • Mehr kindgeführte Aktivitäten im digitalen Umfeld schaffen, aktive Beteiligung der Kinder fördern und Möglichkeiten für einen Austausch bieten, zum Beispiel durch Schulungen von Kindern für Kinder

Maßnahmen in Bezug auf die Altersüberprüfung

Nach wie vor ist die Altersüberprüfung im Internet ein großes Problem für eine kindgerechte Internetnutzung. Technische Lösungen sind leider oftmals unwirksam und können leicht umgangen werden. Oft müssen Internetnutzer nur ein Geburtsdatum eingeben oder eine Frage beantworten und bekommen danach einen freien Zugang für kritische Inhalte. Die Kommission will eine neue EU-Norm für die Überprüfung des Alters ausarbeiten und Mitgliedstaaten motivieren, um elektronische Identitätsnachweise für Minderjährige auszustellen.

Die Kommission wird die neue Strategie alle zwei Jahre überprüfen und die Zwischenergebnisse veröffentlichen. Außerdem sollen sich Kinder an der Umsetzung der neuen Strategie aktiv beteiligen, indem auch sie diese Strategie alle zwei Jahre bewerten.

Informationen über unsere Kurse für mehr Sicherheit im Internet gibt es auf der Homepage der Bundesgeschäftsstelle.

Sicher und stark gegen Kindesmissbrauch in Mühlheim

Sicher und stark gegen Kindesmissbrauch in Mühlheim

Mühlheim (KP) „Nein, ich will kein Geschenk.“ Lena schüttelt mit dem Kopf. Der Mann in dem schwarzen Auto möchte von der Siebenjährigen wissen, wo die Lutzstraße in Mühlheim ist. Die Beifahrertür ist offen. Sie solle einsteigen. Er hätte eine Überraschung für sie. Der scheinbar freundliche Mann versucht alles, damit Lena zu ihm in den Wagen steigt – vergebens. Lena lässt sich nicht ködern. Er gibt auf und fährt davon – erstmal. Denn Lena hat einen vielleicht folgenschweren Fehler gemacht. Sie hat ihm verraten, auf welchen Spielplatz sie immer geht. „Sie hat sich im Prinzip richtig verhalten, hat genug Abstand zum Wagen gehalten und ist nicht eingestiegen“, erklärt Ralf Schmitz und nimmt die Sonnenbrille ab, „aber ein möglicher Täter wüsste jetzt, wo Lena zu finden wäre.“

Sicher und stark gegen Kindesmissbrauch

Ralf Schmitz von der „Sicher-stark-Initiative“ demonstriert den Kindern in Mühlheim, wie man sich wehren kann.

Mit Ralf Schmitz sicher und stark gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch

Ralf Schmitz ist einer der führenden Präventionsexperten in Deutschland und seit vielen Jahren bundesweit aktiv für die Sicher-Stark-Initiative, die Kinder in speziellen Präventionskursen schult, damit sie keinem Gewaltverbrechen zum Opfer fallen.

Der ehemalige Polizeitrainer machte am Samstag die Grundschüler und die Vorschulkinder sicher und stark gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch.

„Es ist wichtig, im Vorfeld etwas zu unternehmen. Kinder dürfen der Gewalt nicht hilflos ausgeliefert sein“, erklärt Schmitz. Wie wichtig so eine Präventionsarbeit ist, zeigt der Fall der erst achtjährigen Kardelen aus Paderborn, die im Januar erst missbraucht und dann umgebracht wurde. So ein entsetzliches Verbrechen könne täglich und überall wieder passieren – auch in Mühlheim. Zwei Mädchen der Grundschule seien schon einmal auf ihrem Schulweg von einem Fremden angesprochen und mit Geschenken geködert worden, berichtet Ralf Schmitz, der schon öfters in Mühlheim Kurse geleitet hat.

Oft kämen die Täter auch aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld. In vielen Fällen seien es Verwandte oder Nachbarn. Die Masche sei fast immer gleich. „Sie bauen erst Vertrauen auf und mimen den lieben Onkel. Kinder erkennen die Gefahr meist erst, wenn es zu spät ist“, erklärt Schmitz, der mit dem Expertenteam von Sicher-Stark bundesweit schon über 500 000 Grundschüler aufgeklärt hat.

Die Kinder im Kurs wissen jetzt, wie sie mögliche Gefahren erkennen können. „Wenn mich ein Fremder anspricht, gehe ich einfach weiter und lasse mich auf kein Gespräch ein“, sagt Lena (Name von der Redaktion geändert).

Zahlen zu sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland

Zahlen zu sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland

Das Statista Report Department der weltweit erfolgreichen deutschen Online-Plattform für statistische Daten veröffentlichte am 13.04.2022 die Anzahl der Opfer von sexuellem Missbrauch von Kindern in Deutschland von 2010 bis 2021.

Insgesamt 17.498 Kinder wurden in Deutschland im Jahr 2021 als Opfer von sexueller Gewalt polizeilich erfasst. Das sind 812 Fälle mehr als im Jahr 2020 und 3091 Fälle mehr als im Jahr 2010. Die Dunkelziffer könnte noch deutlich höher liegen, da zum einen nicht alle Übergriffe als Straftaten erfasst werden und zum anderen viele Missbrauchsfälle von den Opfern gar nicht gemeldet werden.

Bei Straftaten gemäß § 176 oder § 176a Strafgesetzbuch droht dem Täter eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren. Bei sexuellem Missbrauch mit Todesfolge (§ 176b) droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Zahlen zu sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland

Zahlen zu sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland

Die aktuelle Statistik zeigt, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder jedes Jahr zunimmt. 

Die Folgen für die Opfer sind schwerwiegend und beeinflussen oft den gesamten weiteren Lebensverlauf.

Menschen, die in ihrer Kindheit sexuelle Misshandlungen erfahren haben, leiden im späteren Leben häufig an psychischen Beeinträchtigungen. Dazu gehören unter anderem posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Essstörungen, Abhängigkeiten von Alkohol, Drogen und Medikamenten sowie suizidales Verhalten. Missbrauchsopfer haben häufiger Schwierigkeiten in sexuellen Beziehungen. Diese Auswirkungen beeinträchtigen somit den gesundheitlichen Zustand, aber auch persönliche Beziehungen, das Berufsleben und die Mitwirkung im sozialen Umfeld.

Um steigende Missbrauchszahlen einzudämmen und gravierenden Folgen sexueller Gewalt bei Kindern entgegenzuwirken, sind gezielte vorbeugende Maßnahmen enorm wichtig.

Missbrauchsprävention durch das Angebot der Sicher-Stark-Initiative

Das Sicher-Stark-Team setzt sich präventiv für den Schutz von Kindern ein.

Unter dem Motto „Kinder lernen sich zu wehren! Mut tut gut!“ vermitteln hochqualifizierte Fachexpertinnen und -experten Kindern in Intensivkursen vor Ort wichtige Kompetenzen. Kinder werden für Gefahrensituationen sensibilisiert und in ihrem Handeln gestärkt.

Zusammen mit den Kursleitern trainieren sie das Nein-Sagen, führen Stimm- und Schrei-Übungen durch und wachsen über sich hinaus.

Missbrauchsprävention durch das Angebot der Sicher-Stark-Initiative

Missbrauchsprävention durch das Angebot der Sicher-Stark-Initiative

Durch Rollenspiele und nachgestellte Situationen lernen Kinder Verhaltensmuster zu erkennen und sich selbst zu behaupten. Besonders aufschlussreiche Erkenntnisse bieten dabei die mitgefilmten Testsituationen. Die Kurzleiter besprechen sie anschließend und werten sie mit den Kindern gemeinsam aus.

In multidisziplinären Expertenteams wird sowohl aus polizeilichen als auch aus pädagogischen Gesichtspunkten in den deutschlandweit stattfindenden Sicher-Stark-Präventionskursen geschult, was bislang noch einzigartig in Deutschland ist.