Zahl vernachlässigter Kinder in Thüringen seit 2012 deutlich gestiegen
Im vergangenen Jahr gab es in Thüringen so viele Kindeswohlgefährdungen wie seit 2012 nicht mehr. In 1.600 Fällen stellten die Jugendämter des Freistaates eine Gefährdung von Jungen und Mädchen durch Vernachlässigung sowie körperliche und psychische Misshandlungen fest.
Am 17. Oktober veröffentlichte der Freistaat Thüringen unter Berufung auf einen dpa-Bericht beunruhigende Zahlen: Die Fälle von Kindeswohlgefährdung seien demnach im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Bei insgesamt fast 4.800 Verfahren der Jugendämter zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung sei in mehr als 1.600 Fällen eine Gefährdung von Mädchen und Jungen festgestellt worden. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist die Anzahl im Vergleich zum Vorjahr mit 280 Fällen um etwa ein Fünftel gestiegen. In 824 Fällen handelte es sich um akute, in 805 um latente Gefährdung der Kinder. Dabei ist ebenfalls zu erwähnen, dass die Zahl gestiegen ist, trotz tendenziell weniger Kinder in Thüringen durch die demografische Entwicklung. In 3.100 der 4.800 Prüfverfahren der Jugendämter konnte keine Kindeswohlgefährdung festgestellt werden. Dennoch sahen die Fachleute in 1.900 dieser Fälle einen Hilfebedarf, zwölf Prozent mehr als 2022.
Unterschiedliche Arten von Kindeswohlgefährdung festgestellt
In 1.200 Fällen konnten Anzeichen für Vernachlässigung festgestellt werden. In 468 Verfahren gab es Hinweise auf psychische Misshandlungen, in 386 Verfahren wurden Indizien für körperliche Misshandlungen und in 65 Verfahren Hinweise für sexuelle Gewalt gefunden. Wobei mehrere Gefährdungen gleichzeitig in jedem vierten Fall festgestellten wurden. Insgesamt 759 der betroffenen Kinder wuchsen bei einem alleinerziehenden Elternteil auf. In jedem fünften Fall waren ein oder beide Elternteile laut Landesamt ausländischer Herkunft. Zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung wurde in 808 Fällen bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch genommen.
Erstmals erhoben: Von wem die Gefährdung ausgeht
2023 hat das Landesamt erstmals erhoben, von wem die Gefährdung des Kindes hauptsächlich ausging: Insgesamt ging die Gefährdung mehrheitlich vom eigenen Vater oder der eigenen Mutter aus, dies war bei 80,5 Prozent der Fall. Ein Stiefelternteil oder der neue Partner bzw. die neue Partnerin eines Elternteils waren 4,5 Prozent der Fälle die Gefährder.
In fast 70 Prozent der Fälle gaben die Kinder und Jugendlichen selbst Hinweise auf eine Gefährdung. Bei rund einem Viertel informierten Polizei, Gerichte oder Staatsanwaltschaften die Jugendämter. Weitere Hinweise gingen zudem anonym oder von Sozialdiensten ein.
Sexualstraftaten: Trend zeichnet sich bundesweit ab
Auch bei Sexualstraftaten zeichnete sich 2023 eine deutliche Steigerung ab. Anfang Juli hatte das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden zu Sexualstraftaten gegen Kinder und Jugendliche ein Bundeslagebild vorgestellt. Demnach registrierten die Strafverfolgungsbehörden mit 16.375 Fällen von sexuellem Missbrauch von Kindern einen Anstieg von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren stellte die Polizei 1.200 Sexualdelikte fest; 5,7 Prozent mehr als 2022. Drei Viertel der Opfer im Bereich des sexuellen Missbrauchs waren weiblich. Auch die Anzahl im Zusammenhang mit Missbrauchsdarstellungen (verharmlosend häufig als Kinderpornografie bezeichnet) stieg mit 45.191 Fällen deutlich um 7,4 Prozent. Das BKA kündigte an, seine technischen Fähigkeiten weiter auszubauen sowie die Zusammenarbeit mit den Polizeien der Länder zu verstärken, um die Bekämpfung sexualisierter Gewalt weiter voranzutreiben.
Das Sicher-Stark-Team bietet bereits in der Grundschule Kurse zur Prävention gegen Missbrauch und Gewalt an. Dabei lernen Kinder, wie sie sich wehren und Hilfe holen können.
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