Von Veronika Wittig
Kinder und Heranwachsende kommen schon früh mit sozialen Medien und dem Internet in Berührung und besitzen häufig bereits im Grundschulalter ein eigenes Smartphone. 71 Prozent der Kinder und Heranwachsenden zwischen 6 und 18 Jahren besitzen in Deutschland nach Angaben des Digitalverbands Bitkom ein Smartphone. Dieses bringen die Kinder auch mit in die Schule, was für die Lehrkräfte ein immer größer werdendes Problem darstellt. Denn was die Schülerinnen und Schüler damit machen, ist oft nur schwer zu kontrollieren.
Smartphone-Verbot an Schulen?
Immer mehr Länder regieren auf die Smartphone-Problematik an Schulen: So hat jüngst Italien angekündigt, Smartphones und Tablets an Grund- und Mittelschulen grundsätzlich verbieten zu wollen. Auch Großbritannien veröffentlichte einen Leitfaden für Schulen, wie diese die Smartphone-Nutzung unterbinden oder gar ganz einschränken können. Ähnlich geht seit Jahresbeginn auch die Regierung in den Niederlanden vor. Danach können die Schulen selbst entscheiden, wie sie die Richtlinien umsetzen.
Und in Deutschland?
66 Prozent der Befragten sprachen sich in einer aktuellen Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov dafür aus, dass Handys an Schulen definitiv oder eher verboten werden sollten. In Deutschland ist die konkrete Ausgestaltung Ländersache. Ein generelles Verbot jedoch, über alle Schularten hinweg, sei nicht zeitgemäß, äußerte eine Sprecherin des Kultusministeriums.
Kinder verbringen viel Zeit mit ihrem Smartphone. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom durchschnittlich 111 Minuten am Tag – Tendenz steigend. Die Folgen sind offensichtlich, wie zahlreiche Kindermediziner berichten: Beginnend bei körperlichen Folgen wie Übergewicht, Haltungsproblemen, Typ 2-Diabetes bis zu kognitiven Beeinträchtigungen wie reduzierte Lern-, Konzentrations- und Schreibfähigkeiten und ein erhöhtes Maß von ADHS und Aggressivität.
Deshalb äußern sich einige Experten positiv über ein mögliches Smartphone-Verbot an Schulen, insbesondere in den Pausen, um den Smartphone- und Medienkonsum zumindest etwas zu beschränken.
Pandemie hat Mediensucht bei Kindern verstärkt
Während sich Kinder über die sozialen Netzwerke vernetzen können und im Internet Hilfestellung für Schulaufgaben finden und Lernportale nutzen können, birgt die Nutzung von Medien und Smartphones auch Gefahren: Bei dauerhafter Nutzung von Smartphones und Medien kann eine Mediensucht entstehen.
Immer mehr Kinder und junge Heranwachsende sind mediensüchtig, auch als eine Folge der Corona-Pandemie, wie eine Studie der DAK nachweist. Steigt der Medienkonsum über ein normal übliches Maß, spricht man von Mediensucht. Hält diese länger an, kann sie langfristige Folgen bei Kindern hinterlassen. Der DAK-Studie zufolge stieg im Bereich der PC-Spiele die Zahl der abhängigen Kinder und Heranwachsenden von 2,7 Prozent (2019) auf 6,3 Prozent im Juni 2022. Bei Social Media verdoppelte sich die Mediensucht auf 6,7 Prozent.
Besonders während der Pandemie hat die Mediensucht deutlich zugenommen. Noch nie war die Anzahl betroffener Kinder und Jugendlichen in Deutschland so hoch. Betroffen sind laut Studie mehr als 600.000 Mädchen und Jungen, wobei Letztere häufiger betroffen sind als Mädchen.
Was ist eine Mediensucht und wie äußert sie sich?
Doch was sind Gründe für Mediensucht bei Kindern? Teilweise bauen sich in den sozialen Netzwerken, Blogs und Foren Kinder ein zweites Leben, eine Parallelwelt, auf. Zudem bieten die sozialen Medien eine Möglichkeit, einfacher neue Freunde zu finden und Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen. Gleichzeitig können Kinder und Heranwachsende im Internet vor Herausforderungen und Problemen im echten Leben fliehen.
Besonders Social Media bietet mit immer neuen Reels, Fotos und Nachrichten ein hohes Suchtpotential. Die große Vielfalt birgt das Risiko, die Kontrolle über die eigene Nutzungszeit zu verlieren.
Was sind typische Symptome für Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen? Häufig verbringen die Betroffenen einen großen Teil ihrer (Frei-) Zeit im Internet oder mit dem Spielen von Videospielen. Dazu zählt sowohl die Mediennutzung am Handy, Tablet oder PC. Gleichzeitig gelingt es nicht, bewusst den Konsum zu reduzieren – häufig steigt dieser weiter an. Eine Mediensucht geht meist einher mit der Vernachlässigung von sozialen Beziehungen zu Freunden, Klassenkameraden und Familie und anderen Hobbys und Interessen. Stattdessen kreisen die Gedanken stets um das jeweilige Medium oder das aktuelle Videospiel. Ist die Nutzung des Mediums temporär nicht möglich, können bei dem Betroffenen auch unangenehme körperliche oder emotionale Zustände auftreten.
Folgen von Mediensucht
Die Folgen von Mediensucht bei Kindern sind Begleiterkrankungen wie beispielsweise Depressionen und Angststörungen, Schlafschwierigkeiten, Soziale Phobien und körperliche Beschwerden wie häufige Rücken- und Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, juckende oder trockene Augen oder Schmerzen im Handgelenk. Gleichzeitig verschlechtern sich häufig die Leistungen in der Schule, weil betroffene Kinder Schulaufgaben zugunsten der Mediennutzung vernachlässigen. Teilweise können beim Konsum von schädlichen Medien auch Essstörungen auftreten oder bei dauerhaft hohem Konsum gewalttätiger Inhalte ein stärkeres Gewaltverhalten.
Medienbildung statt Smartphone-Verbot an Schulen
Digitale Medien und Smartphones werden auch zukünftig eine wichtige Rolle im Leben der Kinder einnehmen, deshalb können Verbote hier kontraproduktiv wirken. Stattdessen sollte die Schulzeit als wichtiger Raum genutzt werden, um den Kindern frühzeitig Medienkompetenz und einen guten Umgang mit Smartphones zu lehren und über Risiken aufzuklären. Wichtig ist, dass Handys nicht den Unterricht stören. Regeln zur Smartphone-Nutzung sollten gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern aufgestellt werden. Damit lernen die Kinder gleichzeitig, ihren eigenen Medienkonsum im Blick zu behalten. Unkontrolliert sollten die Schulen das Thema „Smartphones an Schulen“ jedoch nicht laufen lassen, da Handys ein hohes Ablenkungspotential besitzen. Stattdessen sollten zuvor klar aufgestellte Regeln auch eingehalten und Verstöße entsprechend sanktioniert werden.
Eine Schule in Dänemark hat so beispielsweise einen Mittelweg gefunden: Die Kinder müssen morgens ihre Smartphones und Laptops abgeben. Seitdem bemerke man einen spürbaren Unterschied: Schülerinnen und Schüler spielen in Pausen wieder gemeinsam und laufen nicht nur mit den Handys in der Hand durch das Schulgebäude.
Es bleibt spannend zu sehen, wie sich die Diskussion um die Smartphone-Nutzung an Schulen weiterentwickeln wird.
Das Sicher-Stark-Team hilft mit und klärt auf
Das Sicher-Stark-Team hilft mit und setzt sich dafür ein, dass Kinder früh Medienkompetenz erlernen.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Bundesgeschäftsstelle.
Lesen Sie auch unseren Artikel über Safer Internet Day am 6. Februar 2024.