Selbstbewusstsein bietet Schutz
Wie das Sicher-Stark-Team mit Kindern für mehr Selbstbewusstsein trainiert. Mehr Selbstbewusstsein bietet Kindern Schutz.
Wenn sich ein Kind unwohl oder bedrängt fühlt, kann es sich um so besser wehren, je selbstsicherer es ist. Die Euskirchener Sicher-Stark-Initiative will daher mit einem abwechslungsreichen Trainingsprogramm Kindern ihre Stärken bewusst machen und die Entwicklung von Kita-Kinder und Grundschulkinder stärken.
„Lass mich los!“ fordert die 7-jährige Jana. Doch das Mädchen ihr gegenüber reagiert nicht. Jana wird lauter und energischer. „Ich will nicht, dass du mich anfasst!“ ruft sie laut, befreit ihren Arm aus dem Klammergriff der anderen – und grinst stolz. Denn die gleichaltrigen Kinder um Jana und ihre vermeintliche Kontrahentin Katharina applaudieren: Die zwei Freundinnen haben ihnen anschaulich demonstriert, was sie tun können, wenn sie jemand gegen ihren Willen berührt oder festhält.
Kinder für den Umgang mit solchen Situationen zu wappnen ist ein Ziel des Selbstbehauptungskurses des Sicher-Stark-Teams aus Euskirchen, an dem Jana und Katharina eine Woche lang teilnehmen. Fünf Nachmittage kommen Ralf Schmitz, führender Experte in der Gewaltprävention an Grundschulen, und Angelika Stabenow, Pädagogin , dafür nach Solingen, um in einer Schule 30 Erst- und Zweitklässler zu trainieren.
Neben Befreiungsstrategien gehören einfache Selbstverteidigungstechniken zum Kursprogramm. Bei der Umsetzung wird es turbulent im Saal. Mit Händen und Füßen gehen die Lehrlinge kräftig gegen die Schlagpolster an, die ihnen das Trainerduo entgegenhält. Schmitz und Stabenow ermuntern die kleinen Angreifer, dabei laut zu schreien – so, wie sie es im „Schrei- und Stimmtraining“ zuvor geprobt hatten. Denn auch die eigene Stimme ist in Bedrängnissituationen ein wirksames Verteidigungsmittel.
Selbstbewusstsein bietet Schutz
„Wir trainieren mit Kindern ab fünf Jahren, wie sie Grenzüberschreitungen erkennen und sich in Gefahrensituationen verhalten können“, erklärt Ralf Schmitz der früher mit SEK und GSG9 trainiert hat. Vermehrte Meldungen über Fälle, in denen Kinder Opfer von Übergriffen und Gewalt wurden, ließen den ehemaligen Polizeibeamten vor 20 Jahren die Sicher-Stark-Initiative mitgründen. Seitdem haben Schmitz und das interdisziplinäres Expertenteam mit über 500.000 Kindern und Eltern gearbeitet: „Wir zeigen ihnen vor allem, wo ihre Stärken liegen und wie sie sich mit einfachen Mitteln wirkungsvoll zu wehren vermögen. Wenn ihnen bewusst wird, dass sie sich behaupten können, stärkt das ihr Selbstbewusstsein – und selbstbewusste Kinder werden seltener von potenziellen Straftätern behelligt.“
Dabei bezieht das Präventionstraining der Euskirchener das engere soziale Umfeld mit ein. „Es gehört zu den größten Problemen, dass Kinder sich Bekannten gegenüber nicht trauen, etwas abzulehnen. Oder es zu signalisieren, wenn ihnen eine Berührung unangenehm ist“, weiß Angelika Stabenow. „Bei uns lernen sie, dass sie sich in entsprechenden Situationen abgrenzen dürfen, auch gegenüber Autoritätspersonen.“ Auf entsprechende Situationen und Strategien gehen die Trainer mit den Grundschülern in Handpuppengeschichten ein, mit Filmen, praktischen Übungen und Rollenspielen.
Für alle Fälle gerüstet
Ein spezieller Bestandteil des Sicher-Stark-Programms ist der „Gefahrenparcours“. Geschulte Sicher-Stark-Mitarbeiter, die „Dummies“, stellen im Freien mögliche Situationen nach: Sie laden die Kinder ein, zu ihnen ins Auto zu steigen, wollen sie auf dem Spielplatz zu etwas überreden oder kommen ihnen bei der Nachhilfe zu nah. Die Kitakinder und Grundschüler können jetzt verschiedene Abwehrstrategien erproben. Eine versteckte Kamera filmt sie dabei. So können Präventionstrainer, Dummies und Kinder anschließend die Szene mit ihnen besprechen. „Die Kinder lernen dabei, Situationen einzuschätzen und das im Kurs Gelernte anzuwenden“, erklärt Ralf Schmitz. „Und sie erleben, dass sie sich im Ernstfall erfolgreich widersetzen können.“
Meistens buchen Kita, und Grundschulen die Kurse des bundesweit aktiven Sicher-Stark-Teams. Aber auch Vereine oder Privatpersonen interessieren sich für das Angebot. So engagierte sich in Solingen der Vater der 7-jährigen Jenny: „Ich wollte etwas anregen, was Kinder fit fürs Leben macht, und stieß auf den Sicherheitskurs. Die Schule konnte ihn leider nicht umsetzen. Aber das Interesse anderer Eltern war groß und wir konnten privat eine Woche organisieren.“ Eltern beurteilen das Training positiv: „Meine Tochter meinte immer, sie könne nicht laut schreien“, sagt zum Beispiel die Mutter von Alina. „In der Gruppe hat sie durch den Ansporn der anderen erlebt: Es geht doch.“ Viele Eltern und Lehrer beobachten zudem, dass die Kinder nach einem Sicherheitskurs auch in anderen sozialen Bereichen und in der Schule selbstbewusster auftreten.
Ganz schön stark
Jana, Katharina und ihre 28 Mitstreiter erleben in der letzten Übung schließlich noch einmal hautnah den Kursleitsatz „Du bist stärker, als du denkst“. Selbstbewusstsein bietet Schutz. Die Aufgabe lautet, mit der Handkante ein drei Zentimeter dickes Holzbrett zu zerschlagen. Ob das klappt? Die kleinen Teilnehmer schwanken zwischen Zweifel und Neugier. Doch ob beim ersten Versuch oder nach mehreren Anläufen – am Ende kann jeder Junior zwei Bretthälften einsammeln, signieren und als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Die Begeisterung und die Freude über den eigenen Erfolg sind groß. Und der 6-jährige Max bringt auf den Punkt, was das Sicher-Stark-Team kleinen Kindern vermitteln möchte: „Ich hätte nicht gedacht, das ich so etwas kann. Das fühlt sich echt toll an!“
Selbstbewusstsein bietet Schutz
Weitere Informationen und Kontakt zum Team unter www.sicher-stark.de